Filmnotizen: 1. Version März 2005; 2. Version März 2021 (Internet- und Handyzeitalter)

Nachdem sich die Epoche der Zelluloid-Filme, die fast das gesamte 20.Jahrhundert beherrschte (ca. 1910-2000), ihrem Ende nähert, ist es an der Zeit, die Möglichkeiten bewegter Bilder für die bildende Kunst (im medialen Bereich) neu zu überdenken.

Immerhin haben sich ja entscheidende, bislang unüberschreitbare Grundbedingungen des Films deutlich verändert:

-- der Materialaufwand und die damit verbundenen Kosten des herkömmlichen Filmes

-- der zeitliche Aufwand der Filmentwicklung und die damit verbundenen Wartezeiten (Hindernisse für eine kontinuierlichen künstleriche Arbeit)

-- Technische Hürden bei der Vorführung, Projektion herkömmlicher Filme

-- Abhängigkeiten von Filmverlagen, Filmproduktionsgesellschaften und deren Organisationen und Apparaten

 

Der experimentelle Internet-Film ist zwar ein technisch anspruchsvolles Unternehmen, ermöglicht aber Authetizität, geringen Materialaufwand, einen hohen Grad an Kommunizierbarkeit sowie Interaktivität und spirituelle Präsenz.

Künstlerische Ideen lassen sich nicht nur in Echtzeit realisieren sondern auch in Echtzeit kommunizieren (mitteilen).

Damit fällt eine bislang unüberschreitbare Schranke zwischen Öffentlichkeit und Privatheit. Der Internet-Film kann auch in den sogenannten eigenen vier Wänden betrachtet werden. Er hinterläßt keine materiellen Reste, muß nicht entsorgt werden sondern ist lediglich ein "virtuelles Flimmern" auf dem Bildschirm. Dennoch jederzeit wiederholbar, aktivierbar und diskutierbar; ein demokratisches Medium also (sofern man es benutzen und nutzen kann).

Die Möglichkeiten und Grenzen dieses Mediums für das künstlerische Schaffen sind weitgehend unerforscht. Das Internetforum "virtualexperiments" hat die technischen Seiten bewußt eng abgesteckt: Die hier gezeigten Filme sollen mit einem Standard-Computer des Jahres 2000 angesehen werden können ohne vorher irgendwelche Software, Player oder "plug-in" herunterladen zu müssen.

Ebenso kann die Herstellung der Filme mit üblichen Animationsprogrammen unter Verwendung der Programmiersprache Java Script erfolgen.

Die Geschichte des experimentellen Zelluloid - Films zeigt, daß beinahe alles im Bereich filmischer Produktion gemacht worden ist. Im strukturellen Film (1), in den Filmen der Fluxusbewegung(2) und in Filminstallationen(3) wurden die Möglichkeiten des Filmens, die Möglichkeiten des Zelluloid-Materials und die ebensogroßen Möglichkeiten der Projektion und räumlichen Installation bis an die Grenzen ausgelotet. Natürlich wird der Zelluloidfilm - ähnlich wie Malerei, Fotografie, Video, traditionelle Bildhauerei etc. - auf unbestimmte Zeit Generationen immer wieder Anregungen zur künstlerischen Arbeit liefern. Die Vorgänge und Dinge verschwinden nicht so einfach; aber die Schwerpunkte verlagern und verändern sich im Laufe der Zeit.

Ich bin gespannt, ob und zu welcher Zeit diese Projektionsfläche "virtualexperiments" bespielt wird. Die Grundvoraussetzungen dafür sind geschaffen.

Gerhard Reinert, März 2005

 

 

(1) z.B. Birgit Hein, Werner Nekes, Josef Robakowski, Peter Kubelka, Peter Weibel

(2) Nach wie vor große Fundgrube im Fluxus-Film, z.B. bei Nam June Paik

(3) z.B. Valie Export, Anthony McCall, Malcolm Legrice

 

 

 

www.sekundenfilme.de